Kamera-Attrappen: Beweislast liegt (auch hier) beim Verantwortlichen

Ein sehr praktisches Problem thematisiert der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) in seinem 5. Tätigkeitsbericht (Ziffer 3.6) zum Datenschutz nach der DS-GVO und beschäftigt sich mit der Frage, wie Verantwortliche ihrer Darlegungslast im Hinblick auf Kameraattrappen nachkommen können.
Das Problem ergibt sich bei Betrachtung zweier Aspekte, die für sich genommen, eher unproblematisch sind.
1. Rechenschaftspflicht
Diese sogenannte Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO bewirkt eine Darlegungs- und Beweislastumkehr zu Lasten des Verantwortlichen, sodass nicht der Betroffene oder die Aufsichtsbehörde eine Verletzung der Vorschriften der DS-GVO nachweisen müssen, sondern der Verantwortliche deren Einhaltung (vgl. Heberlein in Ehmann/Selmayr DSGVO, 2. Auflage, Art. 5, Rn. 32).
2. Keine Zuständigkeit bei Kameraattrappen
Sofern es sich bei einer Video-Kamera tatsächlich um eine Attrappe handelt, findet keine Datenverarbeitung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nrn. 1 und 2 DS-GVO statt. In diesem Fall ist der TLfDI mangels Anwendbarkeit der DS-GVO nicht zuständig und kann keine aufsichtsbehördlichen Maßnahmen erlassen.
3. Beweislastumkehr
Wendet nun der vermeintlich Verantwortliche ein, er benutze lediglich eine Kamera-Attrappe, so muss er diese Behauptung gegenüber der Aufsichtsbehörde nachweisen können.
Die oben erwähnte Rechenschaftspflicht führt dazu, dass der Verantwortliche die Funktionslosigkeit der Kamera hinreichend glaubhaft machen muss.
- Wie kann nun der Umstand, dass eine Kamera keine Daten verarbeitet in der Praxis glaubhaft gemacht werden?
- Soll der Verantwortliche der Behörde ein leeres Speichermedium senden (viele Kameras speichern in die Cloud..) ?
- Soll die Aufsichtsbehörde einen Mitarbeitenden zur Vor-Ort-Untersuchung an den vermeintlichen „Tatort“ senden?
- Welche Nachweise des Verantwortlichen sieht die Behörde als geeignet an, die belegen sollen, dass es sich tatsächlich um eine Attrappe handelt?
4. Geeignete Nachweise
Die Herangehenweise des TLfDI ist pragmatisch:
Als denkbar werden Rechnungen oder andere Kaufbelege, Hersteller-Nachweise, technische Datenblätter und Nahaufnahmen genannt, aus denen sich ergibt, dass die Kamera nicht in der Lage ist, personenbezogene Daten zu verarbeiten. Sollte dieser der Aufforderung nicht ausreichend nachkommen, geht die Behörde streng nach der Beweislastumkehr zunächst im Einzelfall aufgrund des objektiven Erscheinungsbildes davon aus, dass es sich um eine funktionsfähige Kamera handelt. Der TLfDI erlässt dann regelmäßig einen Bescheid, welcher den Verantwortlichen zur Auskunftserteilung hinsichtlich der (vermeintlichen) Kamera verpflichtet.
5. Empfehlung:
Es empfiehlt sich deshalb, beim Kauf einer Kamera-Attrappe diesbezügliche Belege für eine mögliche Prüfung durch die Aufsichtsbehörde aufzubewahren. Andernfalls kann der Nachweis, dass die Kamera keine Daten verarbeitet, den Verantwortlichen vor größere Probleme stellen.
6. Zusätzlicher Hinweis:
Betroffenen Personen steht auch bei Attrappen die Klage vor den Zivilgerichten offen. Eine Attrappe, die den Verdacht einer Überwachung begründet, kann einen erheblichen Überwachungsdruck auf Personen ausüben. Diese Personen können hieraus möglicherweise zivilrechtliche Abwehransprüche (Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche) gegen den Nutzer der Attrappe geltend machen. Hierfür ist der TLfDI jedoch nicht zuständig.
(Foto: Nattawit – stock.adobe.com)
Letztes Update:15.09.23
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