Kein Schadensersatz für Bagatellen?

Neue Datenschutzverordnungen

OLG Dresden, Urt. v. 30.11.2021 – 4 U 1158/21

Soweit ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO geltend gemacht wird, muss dieser über das erforderliche Mindestmaß also die Bagatellgrenze hinausgehen. 

OLG Dresden formuliert Bagatellgrenze

Das OLG Dresden hat in einer aktuellen Entscheidung bekräftigt, dass Schadensersatzansprüche nach der DS-GVO nur über die Bagatellgrenze hinaus in Betracht kommen. 

Schadensersatz von 5.000 € zugesprochen

Im verhandelten Fall wurde die Bagatellgrenze aber überschritten und die unzulässige Datenverarbeitung durch die Beklagten rechtfertigt einen immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DS-VGO – allerdings lediglich in der vom Landgericht Dresden (Urt. v. 26.05.2021 – 8 O 1286/19)  ausgeurteilten Höhe. Der Kläger verlangte in der Berufung vor dem OLG Dresden jedoch weiterhin 21.000 € als Entschädigung in Geld. Das Gericht begründet die Überschreitung der Bagatellgrenze wie folgt:

„Entgegen der Auffassung der Beklagten überschritt die Ausspähung des Klägers eindeutig die Bagatellschwelle. Die Datenweitergabe mit den daraus resultierenden Folgen ging über die reine Privatsphäre oder das Privatverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) weit hinaus, denn nachdem dieser die Weitergabe der erhobenen Daten angeordnet hatte, wurden die hieraus gewonnenen Ergebnisse den übrigen Vorstandsmitgliedern des Beklagten zu 1) bekannt gegeben.“ 

Weiter führt das Gericht aus, dass dem Kläger daraufhin die Mitgliedschaft im Verein versagt wurde. Das führt nicht zu direkten Einbußen, jedoch mittelbar zu einem Ausschluss von der Mitorganisation der Oldtimer-Treffen, was der Autohändler zur Bewerbung seines Geschäfts nutzen hätte können. Außerdem vertritt das Gericht die Auffassung, dass der Kläger davon ausgehen müsse, dass nicht nur zwei Vorstandsmitglieder die ihn betreffenden Daten gesehen haben, sondern ein größerer Personenkreis. 

Angemessene Schadensersatzhöhe

In der Gesamtabwägung hält der Senat das bereits vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € für angemessen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er auf die umfassende Abwägung in der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Spannender Nebenaspekt

Haftungsgegner war in der verhandelten Rechtssache gemäß Art. 82 DS-GVO als Rechtsgrundlage der/die Verantwortliche(n). Daher ist es nicht uninteressant, wenn der Schadensersatz vom Verantwortlichen im Sinne der DS-GVO sowohl von der juristische Person (GmbH) als auch von ihrem gesetzlicher Vertreter  (Geschäftsführer) zu leisten ist:

„Sowohl der Beklagte zu 1) als auch der Beklagte zu 2) sind verantwortlich im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO, denn Anknüpfungspunkt für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist zunächst die „Verantwortlichkeit“, die immer dann zu bejahen ist, wenn eine natürliche oder juristische Person alleine oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden kann und entscheidet (…). Damit entfällt zwar in aller Regel die Verantwortlichkeit weisungsgebundener Angestellter oder sonstiger Beschäftigter, für den Geschäftsführer, wie es der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Beauftragung des Streithelfers war, gilt dies allerdings nicht.“

Letztes Update:01.02.22

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