1.000 € für Fehlversand einer Nachricht über Xing

LG Darmstadt, Urt. v. 26.05.2020 – 13 O 244/19
Das LG Darmstadt hat in dem Urteil vom 26.05.2020 (Az. 13 O 244/19) entschieden, dass ein potenziell zukünftiger Arbeitgeber schadensersatzpflichtig sein kann, wenn dieser während des Bewerbungsverfahrens unzulässiger Weise die Daten der Bewerber weitergibt.
Sachverhalt
Der Kläger bewarb sich über das Portal Xing bei einer Bank. Die beklagte Bank sendete eine für den Kläger bestimmte Nachricht irrtümlich an einen Dritten bei Xing. Diese Nachricht enthielt unter anderem den Namen, das Geschlecht sowie die Gehaltsvorstellungen des Klägers.
Als der Bewerber von der beklagten Bank abgelehnt wurde, forderte er einen Schadensersatz von 2.500 Euro auf Grundlage des Art. 82 DS-GVO wegen der unrechtmäßigen Datenübermittlung.
Entscheidung: 1.000 € Schadensersatz
Das Gericht gab dem Kläger jedoch nur in Teilen Recht und gestand ihm einen Schadenersatz von 1.000 € zu.
Entscheidungsgrund 1: Unzulässige Datenweitergabe
Das Gericht begründete die Entscheidung folgendermaßen:
„Infolge der Weitersendung der Daten wurden persönliche, berufliche Informationen an einen unbeteiligten Dritten weitergeleitet. Dadurch hat der Kläger die Kontrolle darüber verloren, wer Kenntnis davon hat, dass er sich bei der Beklagten beworben hat. Diese Informationen sind auch dazu geeignet, den Kläger zu benachteiligen, wenn diese Informationen an etwaige Konkurrenten für einen Arbeitsplatz gelangen oder gar den Ruf des Klägers zu schädigen, wenn z.B. der derzeitige Arbeitgeber des Klägers erfahren hätte, dass sich der Kläger nach anderweitigen Arbeitsstellen umschaut.“
Entscheidungsgrund 2: Mangelnde Transparenz
Weiter beanstandete das Gericht auch die nicht erfolgte Benachrichtigungspflicht des Beklagten:
„Die Beklagte hat auch gegen ihre unverzügliche Benachrichtigungspflicht verstoßen, da die Nachricht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern […] erfolgen soll […], was aber vorliegend nicht gegeben ist, da die Beklagte den Kläger erst im Dezember 2018 darüber informierte, dass die Nachricht an Herrn […] gesendet wurde.“
Die ursprüngliche Forderung des Klägers in Höhe von 2.500,00 € hatte keinen Erfolg vor Gericht. Die Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes begründete das Landgericht wie folgt:
„Dem Kläger ist auch ein Immaterieller Schaden entstanden. Infolge der Weitersendung der Daten wurden persönliche, berufliche Informationen an einen unbeteiligten Dritten weitergeleitet. Dadurch hat der Kläger die Kontrolle darüber verloren, wer Kenntnis davon hat, dass er sich bei der Beklagten beworben hat. Darüber hinaus hat eine dritte Person nun Kenntnis über den Bewerbungsvorgang und finanzielle Hintergründe bzw. Vertragswandlungen.
Diese Informationen sind darüber hinaus auch abstrakt dazu geeignet, den Ruf des Klägers oder dessen Ansehen bzw. sein weiteres berufliches Fortkommen zu schädigen, wenn z.B. der derzeitige Arbeitgeber des Klägers erfahren hätte, dass sich der Kläger nach anderweitigen Arbeitsstellen umschaut, so dass jedenfalls auch eine solche Gefahr aus Sicht des Klägers Im Raum stand […]
Da die Informationen keiner weiteren Person neben Herrn […] zugänglich gemacht wurden und insbesondere der Kläger keine weiteren beruflichen oder persönlichen Beeinträchtigungen erlitten hat, wird ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € für angemessen erachtet.“
Hervorzuheben ist, dass das Landgericht Darmstadt keinen Beweis für einen konkreten Schadeneintritts verlangt. In diesem Kontext reicht die unrechtmäßige Übermittlung von personenbezogenen Daten, die es möglich machen könnten, dass der Kläger einen persönlichen oder beruflichen Schaden dadurch erleiden könnte. Das aus dem Verstoß resultierende Risiko ist also hier das maßgebliche Kriterium für den zugesprochenen Schadensersatz.
Prozesskostenrisiko nie außer Acht lassen
Auch wenn die beklagte Bank aufgrund der gerichtlichen Entscheidung sowohl die Gerichts- und Anwaltskosten des Klägers für beide Instanzen zahlen muss, stehen schlussendlich 1.000 € anerkanntem Schadensersatz 1.025,55 € an Anwaltskosten allein für die Prozessvertretung in der 1. Instanz entgegen. Das zeigt noch einmal, wie hoch das Risiko für Kläger im Falle einer ablehnenden Entscheidung ist.
Letztes Update:04.03.22
Das könnte Sie auch interessieren
-
Folge 41: So hält das Urheberrecht den Anforderungen der KI stand
Beim Einsatz generativer KI spielt neben dem Datenschutzrecht das Urheberrecht eine wichtige Rolle. Die Rechtsbereiche dürfen nicht miteinander vermischt werden. Welche Rechte bei der Erstellung von neuen Inhalten bzw. beim Training der KI tangiert sind (Input), und zum anderen, welche Rechte mit den von KI-(mit)erzeugten Inhalten verbunden sind, gleich ob Musik, Text oder Bild, und
Mehr erfahren -
Grenzen des Missbrauchs beim Auskunftsrecht
In der jüngeren Vergangenheit hat sich der EuGH mit zahlreichen Vorlagefragen zu datenschutzrechtlichen Themen befassen müssen. Darunter waren auch etliche Fragestellungen, die sich mit dem Inhalt und der Weite des Auskunftsanspruchs aus Artikel 15 DS-GVO befassten. Der EuGH konkretisierte bspw. im Rahmen seines Urteils, ob im Rahmen des Auskunftsrechts die Identität der Empfänger offenzulegen sind.
Mehr erfahren -
Besonders schützenswerte Daten in Personalakten
Besonders sensible personenbezogene Daten dürfen nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen verarbeitet werden. Diese Daten umfassen beispielsweise Informationen, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand oder die politische Überzeugung der Beschäftigten zulassen, sowie Hinweise auf religiöse Diskriminierung oder rassistische Verfolgung bieten können. Auch Informationen über Gewerkschaftszugehörigkeiten fallen unter diesen speziellen Schutz. Wie ist datenschutzrechtlich
Mehr erfahren