Aufsichtsbehörde verhängt Bußgeld wegen fehlender Datenschutz-Folgenabschätzung

Die Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen – mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere – können aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen, die zu einem physischen, materiellen oder immateriellen Schaden führen könnte.
Die Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA, Art. 35 DSGVO) ist Ausdruck des risikobasierten Ansatzes der DS-GVO. Soweit eine Datenverarbeitung hohe Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen beinhaltet, sollen diese mithilfe der DSFA frühzeitig erkannt werden, um sie durch geeignete Schutzmaßnahmen technischer und/oder organisatorischer Art von Anfang an eindämmen zu können.
Zweck der DSFA ist es, im Falle von besonders riskanten Datenverarbeitungsvorgängen die voraussichtlichen Risiken für die persönlichen Rechte und Freiheiten betroffener Personen zu identifizieren.
Dass die Durchführung einer DSFA nicht nur ein nice-to-have ist, sondern im Falle eines Ausleibens, zu aufsichtsbehördlichen Sanktionen führen kann, zeigt ein aktueller Fall aus Italien. Die italienische Datenschutzbehörde verhängte gegen den Flughafen Bologna eine Geldstrafe in Höhe von 40 000 Euro, weil er es versäumt hatte, angemessene technische und organisatorische Maßnahmen für ein Hinweisgebersystem (Whistleblowing) bereitzustellen. Der Flughafen hatte es versäumt, sowohl gespeicherte als auch übermittelte Meldungen innerhalb dieses Systems zu verschlüsseln und eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchzuführen.
Der für die Verarbeitung Verantwortliche nutzte die Anwendung „WB confidential“ für die organisatorische Erfassung und Verwaltung von Meldungen über rechtswidriges Verhalten seiner Mitarbeiter und anderer Beteiligter. Die Anwendung wurde von einem SaaS-Anbieter betrieben, der als Auftragsverarbeiter für den für die Verarbeitung Verantwortlichen im Sinne von Artikel 28 DS-GVO fungierte.
Der Verantwortliche scheint bei der Entscheidung keine DSFA durchzuführen von folgenden Erwägungen geleitet gewesen zu sein:
- Begrenzte Anzahl von Meldungen und verarbeiteten Daten
- „Geringer Nutzen“ für Dritte und „äußerst geringe Wahrscheinlichkeit von Bedrohungen“, so dass die in seiner Datenbank gespeicherten und über das öffentliche Netz übermittelten personenbezogenen Daten nicht verschlüsselt wurden
- Verschlüsselung sei nur risikoangemessen, wenn große Mengen von Daten verarbeitet würden
- Die Implementierung einer solchen Funktionalität habe die Anschaffung einer zusätzlichen Komponente mit unverhältnismäßig hohen Implementierungskosten erfordert
- Außerdem sei der technische Zugang ausschließlich dem Auftragsverarbeiter vorbehalten, der kein Interesse an der Übermittlung oder Weitergabe von Daten habe
Wie schon die verhängte Geldbuße an sich zeigt, ließ sich die Aufsichtsbehörde nicht von dieser Argumentation überzeugen.
Dies provoziert jedoch die Frage, ob die Reaktion der Aufsichtsbehörde bzw. die Geldbuße oder zumindest die Höhe der verhängte Geldbuße eine andere gewesen wäre, wäre eine DSFA von dem Verantwortlichen durchgeführt worden, in dessen Durchführung der Verantwortliche jedoch bei der Bewertung der Notwendigkeit/Verhältnismäßigkeit in Bezug auf Zweck zum gleichen Ergebnis gekommen wäre, wie hier dargestellt, was die Umsetzung der technischen und organisatorischen Maßnahmen angeht.
Es ist nicht auszuschließen, dass eine gut begründete Risikobewertung bei der Aufsichtsbehörde einen anderen Eindruck hinterlässt, auch wenn diese ggf. von der eigenen Bewertung der Aufsichtsbehörde abweicht, als eine gar keine durchgeführte DSFA. Zu bedenken ist natürlich, dass eine tatsächlich durchgeführte DSFA, die in der Regel mit einem interdisziplinären DSFA-Team zu „besseren“ und risikoangemesseneren Ergebnissen führen wird, als eine eher spontan und „aus dem Bauch“ erfolgte Risikobewertung eines nicht interdisziplinär besetzten DSFA-Teams.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf verschiedene Hilfsmittel und Tools hingewiesen mit denen Verantwortliche entscheiden können, ob der sog. „Schwellenwert“ zur Durchführung einer DSFA nicht bereits überschritten ist:
Die Artikel-29-Arbeitsgruppe (WP29) hat Leitlinien mit neun Kriterien (WP248) veröffentlicht, die als Indikatoren für die Feststellung eines „wahrscheinlich hohen Risikos“ dienen können. In den meisten Fällen weist eine Kombination von zwei dieser Faktoren auf die Notwendigkeit einer DSFA hin.
Wie die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen berichtet, errreichen die Behörde immer wieder Anfragen, wann eine DSFA konkret durchzuführen ist. Um Anwendern die Beantwortung dieser Frage zu erleichtern, stellt die LfD ein Prüfschema zur Verfügung, womit Datenverarbeiter für ihren Verantwortungsbereich prüfen können, ob die Durchführung einer DSFA erforderlich ist. Neben einer Checkliste und einem umfangreichen Glossar der wichtigsten Begriffe enthält das Schema auch Hinweise auf weitere Hilfestellungen zum Thema Datenschutz-Folgenabschätzung. Das Prüfschema lässt sich hier herunterladen.
Die Datenschutzstelle Fürstentum Liechsteinstein stellt ebenfalls seit geraumer Zeit eine sehr nützliche Checkliste (Excel-Dokument) für die Prüfung der Notwendigkeit der Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) zur Verfügung. Die Checkliste zur Prüfung der Notwendigkeit der Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) gliedert sich in 6 Abschnitte. Jeder Abschnitt umfasste mehrere Hauptfragen, mit deren Beantwortung festgestellt wird, ob die Notwendigkeit der Durchführung einer DSFA für eine bestimmt Verarbeitungstätigkeit besteht.
(Foto: Trueffelpix – stock.adobe.com)
Letztes Update:22.08.21
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