Datenschutz und Online-Prüfungen

Bereits im DataAgenda-Arbeitspapier 19 „Das digitale Semester FAQ“ führte Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht (TH Köln) zum Thema Klausuren, die per Videokonferenz beaufsichtigt werden sollen, wie folgt aus:
„[…] Im Regelbetrieb ist es prüfungsrechtlich demgegenüber nicht machbar, per Videokonferenz von unterschiedlichen Orten Klausuren schreiben zu lassen. Ein Problem ist die Aufsicht. Selbst wenn alle Studierenden während der Klausur ihre Kameras einschalten würden, wäre diese Maßnahme – vom Datenschutz abgesehen – ungeeignet, Täuschungsversuche auszuschließen. Schon auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches könnte ein Team von „Prüfungs-Helfern“ sitzen.
Deren Mitwirkung wäre selbst dann im Sinne der Prüfungsgerechtigkeit verboten und nicht wirksam auszuschließen, wenn man eine „Open-Book-Prüfung“ gestattet. Wer sich bei Klausuren akustische Kontrolle über bei allen Prüflingen aktivierte Mikrophonen verspricht, muss sich die unvermeidbare Kakophonie aller Hintergrundgeräusche vorstellen, die ungestörtes Arbeiten zur Farce macht. Da von der Hochschule weder sichergestellt noch überprüft werden kann, dass alle privaten Computer der Studierenden mit passenden Mikrofonen und Kameras ausgestattet sind, scheitert die Klausur per Videokonferenz auch an der Prüfungsgleichheit. Die Beschwerde nur eines Studierenden oder spätestens ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht würde zum unkalkulierbaren Risiko. „
Die prognostizierten Beschwerden von Studierenden ließen nicht lange auf sich warten. Gegen die sog. Corona-Ordnung der Fernuniversität Hagen wehrte sich ein Student der Fernuniversität mit einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen. Ziel war es, dass die für den 8. März 2021 geplante Prüfung nicht aufgezeichnet, sondern allenfalls mittels Videoübertragung beobachtet wird.
Die Fernuniversität sieht in ihrer Corona-Prüfungsordnung als alternative Möglichkeit neben Präsenzprüfungen, die zurzeit nicht durchgeführt werden, videobeaufsichtigte häusliche Klausurprüfungen vor. Danach werden die Prüflinge durch prüfungsaufsichtsführende Personen über eine Video- und Tonverbindung während der Prüfung beaufsichtigt. Die Video- und Tonverbindung sowie die Bildschirmansicht des Monitors werden vom Beginn bis zum Ende der Prüfung aufgezeichnet und gespeichert. Die Prüfungsaufzeichnung wird nach dem Ende der Prüfung gelöscht. Dies gilt nicht, wenn die Aufsicht Unregelmäßigkeiten im Prüfungsprotokoll vermerkt hat oder der Student eine Sichtung der Aufnahme durch den Prüfungsausschuss beantragt. In diesem Fall erfolgt die Löschung der Aufzeichnung erst nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens.
Mit Beschluss vom 04.03.2021 ( Aktenzeichen: 14 B 278/21.NE ) hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontroll-Eilantrag abgelehnt. Die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung könne im Eilverfahren nicht geklärt werden, so das OVG. Allerdings räumte das OVG ein, dass die DS-GVO die Datenverarbeitung erlaube, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich sei, die im öffentlichen Interesse liege oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, die dem Verantwortlichen übertragen worden sei.
Wenn Hochschulen der Pflicht zur Durchführung von Prüfungen nachkommen, hätten sie in Wahrnehmung dieser Aufgabe dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit Geltung zu verschaffen. Dieser verlange, dass für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen gälten, um allen Teilnehmern gleiche Erfolgschancen zu bieten. Insbesondere sei zu verhindern, dass einzelne Prüflinge sich durch eine Täuschung über Prüfungsleistungen einen Chancenvorteil gegenüber den rechtstreuen Prüflingen verschafften.
Ebenfalls ohne Erfolg blieb der Versuch eines Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), mit Hilfe des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (Az. 3 MR 7/21) durchzusetzen, dass die von ihm in elektronischer Form abzulegenden Prüfungen ohne die vorgesehene Videoaufsicht stattfinden. Insbesondere sah das OVG das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) nicht als betroffen an, da dieses nur vor einem (digitalen) „Eindringen“ in die Wohnung schütze. Die Videoaufsicht erfolge jedoch nicht gegen den Willen der Studierenden. Sie könnten frei entscheiden, ob sie an der elektronischen Prüfung teilnähmen mit der Folge, Kamera und Mikrofon ihres Computers für die Aufsicht zu aktivieren, oder ob sie später eine Präsenzprüfung ablegten. Obwohl diese derzeit nicht durchgeführt werden dürften, sei die Freiwilligkeit ihrer Entscheidung ausreichend gesichert.
(Foto elnur – stock.adobe.com)
Letztes Update:05.03.21
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